Marc Fritschi

Von Fragen, Fischen und dem FC Zürich

Mitten im Lockdown bekam Marc Fritschi ein Aquarium geschenkt. Von da an ging es schnell: Heute teilt sich der System Engineer das Schlafzimmer mit 53 Fischen.

Was die Welt im Jahr 2022 vereint: Jeder und jede hat eine Pandemiegeschichte. Bei manchen dreht sich diese um das Leben und den Tod, bei anderen um Meinungsgräben in der Kernfamilie. Doch das ist hier ist keine grosse Geschichte, sondern eine kleine. Übers Scheitern, Wiederaufstehen und Durchziehen. Oder auch einfach: eine Geschichte von ein paar Flossen. Und der Gnadenlosigkeit des FC Zürich.

«Das ganze Wasser war schwarz»,

erinnert sich Marc Fritschi an den ersten Rückschlag als Aquariumbesitzer. Wenige Tage zuvor hatte ihm sein Schwager einen Kasten aus Glas, einen Wasserfilter und etwas Kies geschenkt – ein Starter Pack mit 30 Litern Fassungsvermögen. Fritschi tat, was er oft tut, wenn er im Leben einen Schritt weiterkommen möchte: Er setzt sich in das Büro am Eingang seiner 4.5-Zimmer-Wohnung – Neubau-WG, offene Küche, Balkon – startet den Webbrowser und tippt ein paar Worte in die Suchleiste.

Einige Tage später landeten per Post die ersten Fische, Wasserpflanzen und Wurzeln in seinem Briefkasten – und anschliessend alles davon im Aquarium. Doch bald schon wurde es den Fischen schwarz vor Augen. Das Wasser hatte sich verfärbt. Wieso bloss?

002 Walder Marc Fritschi
002 Walder Marc Fritschi

Tauchen im Leben des jungen Fischmeisters Fragen auf, begegnet er ihnen so gnadenlos, wie sein geliebter FC Zürich in dieser Saison seine Chancen verwertet. Hallo Meistertitel, könnte es bald im Letzigrund heissen. Bye-bye Fragen, heisst es in Marc Fritschis Winterthurer Wohnung. Sein wichtigster Mitstreiter ist dabei das Internet. Muss der Filter im Aquarium dauerhaft laufen? Auf jeden Fall, antwortet der YouTube-Kanal «Aquaowner». Wieso ist das Wasser im Aquarium schwarz? Eine ungefährliche, biochemische Reaktion der frischen Wurzeln, weiss Google.

Früher verbrachte Marc Fritschi viel Zeit vor dem Computer. «Stundenlang habe ich Counter-Strike gespielt.» Auch heute noch trifft er sich zweimal wöchentlich, jeweils abends, virtuell mit Freunden. Sie spielen UNO oder Indie-Games wie The Escapists. «An den Wochenenden habe ich aber Besseres zu tun.» Vor der raumhohen Fensterfront des Wohnzimmers haben Pflanzen in einem Glas ein eigenes Ökosystem bekommen. «Im Sommer pflanze ich auch Chilis und Wassermelonen an.»

Grau melierte Boxen im Wohnzimmer gewähren einen Einblick in die Vergangenheit: SNES, Dreamcast, N64, SNES, PS1, PS2, PS3, Wii. Auf dem Boden steht eine neue Playstation 5, angeschlossen an einen Flachbildfernseher mit 61 Zoll – 155 Zentimeter oder einmal die Schauspielerin Reese Witherspoon.

Zum 30-Liter-Aquarium im Schlafzimmer kam schon bald eines mit 20 Litern, dann eines mit 54 Litern und schliesslich jenes mit 180 Litern. Seitdem stehen dort, wo früher ein Flachbildfernseher das Schlafzimmer beleuchtet hatte, die Fische. Und immer wieder stellen sich Fritschi Fragen. Was hat es mit dem pH-Wert auf sich? Mit der CO2-Zufuhr? Und überhaupt, wie gestaltet man ein Aquarium?

Er nimmt sie mit in sein Büro am Wohnungseingang, das er erst wieder verlässt, wenn aus den Fragen Antworten wurden. Marc Fritschi lernt, wie man den pH-Wert des Winterthurer Wassers von 7,5 auf 6,5 senkt. Welche Fischarten sich gegenseitig gut gesinnt sind – und welche nicht. Er erfährt, dass er nachts die CO2-Anlage ausschalten muss, da die Pflanzen dann keine Photosynthese betreiben. Er liest vom Aquascaping, vom brasilianischen Stil der Landschaftsarchitektur für Aquarien, vom Niederländischen und vom Japanischen. Und Fritschi weiss, dass er seinen ganz eigenen Stil definieren muss: «Ich mache einfach alles Freestyle.» Mit einer üppigen Bepflanzung, wie es seine pflegeleichten Fische aus dem Amazonas mögen.

«Es gibt nichts Beruhigenderes, als den Fischen zuzuschauen.»

Nicht nur an den Abenden setzt sich Fritschi zu den Fischen, sondern auch an Samstagen. Jedes Wochenende senkt er das Wasser zweier Aquarien auf die Hälfte ab und entfernt die Algen von den Glaskasten mit den Skalaren und den Galaxy-Perlhuhnbärblingen, den Welsen und den Amanogarnelen. Eine Woche später wird er mit den anderen zwei Aquarien dasselbe wiederholen. Er geniesst diese Zeit: «Es gibt nichts Beruhigenderes, als den Fischen zuzuschauen.»

Manche meditieren.

Marc Fritschi hat vier Aquarien. Und reicht selbst diese Ruhe nicht mehr, nimmt er seinen blau-weissen Schal vom Sofa und verlässt seine liebsten vier Wände in Richtung seiner liebsten Elf: «FC Züri, allez, allez.»

Manche meditieren.

Marc Fritschi hat vier Aquarien. Und reicht selbst diese Ruhe nicht mehr, nimmt er seinen blau-weissen Schal vom Sofa und verlässt seine liebsten vier Wände in Richtung seiner liebsten Elf: «FC Züri, allez, allez.»

Marc Fritschi

arbeitet seit April 2019 in der IT-Abteilung von Walder Wyss. Erst unterstützte er die Kanzlei im Support, nach einem Jahr wurde er zum System Engineer. «Mir war früh klar, dass ich Informatiker werde», sagt Fritschi. Der Auslöser? Das Computerspiel Counter-Strike. Seine Lehre absolvierte Marc Fritschi bei A. Baggenstos & Co AG, einem für Schreibmaschinen-Reparaturen bekannten IT-Unternehmen in Wallisellen. Obwohl er noch heute jede Schreibmaschine wiederbeleben könnte, kommt bei Walder Wyss vor allem sein Know-how rund ums Dokumenten-Management zum Tragen.