Mark A. Reutter

Anwalt des guten Geschmacks

Mark A. Reutter kuratiert die Kunst am Hauptsitz von Walder Wyss in Zürich. Ein Rundgang durch das Bürogebäude ist gleichzeitig eine Führung durch Reutters persönliches Musée imaginaire.

Schlimmer als Bildschirme sind nur Flipcharts neben Kunstwerken.

Wer bei Walder Wyss eine rechtliche Beratung in Anspruch nimmt, kommt an Mark Reutter nicht vorbei. Das beginnt unten am Empfang und zieht sich durch alle vier Etagen des Bürogebäudes: Reutter ist überall präsent, mal farbig, mal schwarz-weiss, mal grossformatig oder manchmal ganz klein.

Mark Reutter arbeitet seit bald 30 Jahren bei Walder Wyss. Er ist Anwalt und Kunstliebhaber. Was hier in den Sitzungszimmern, in den Gängen, in den Büros der Anwältinnen und Anwälten, über dem Tischfussballtisch in der Cafeteria, am Empfang und im Postbüro hängt, ist fast ausnahmslos von ihm ausgewählt. Und wenn in einem Sitzungszimmer nichts hängt, dann ist es wegen ihm. In der zunehmend verkabelten Büroarchitektur, sagt er, sei kein Platz für Kunst, «die braucht offensichtlich Bildschirme an den Wänden». Schlimmer als Bildschirme sind nur Flipcharts neben Kunstwerken.

002 Walder Mark Reuter
002 Walder Mark Reuter

Mark Reutter mag Kunst und Wände, er mag Gags und Gurken (dazu später mehr). Was er nicht mag: verbildschirmte Büroarchitektur, die Kunst verdrängt, und Bilder, die schief hängen. «Das regt mich auf», sagt er. Reutter steht in der Tür seines Büros im ersten Stock, Ausgangspunkt unserer exklusiven Führung durch die Walder-Wyss-Galerie. Was auffällt: Es gibt eine einzige Wand für Kunst in Reutters Büro, der Rest ist Regal, Fenster oder Glastrennwand.

Was ebenfalls auffällt: Reutter kennt seine Kunst und seine Künstler, die Künstler kennen aber auch ihn. Mit vielen von ihnen verbindet ihn eine Freundschaft, das verraten die Widmungen auf den Werken. Selten steht da einfach nur «für Mark Reutter», meist sind die Signaturen durch einige persönliche Worte ergänzt. «In alter Freundschaft» zum Beispiel, oder «in grosser Verbundenheit». Bei einem Plakat von Hans Hartung ist die Widmung auf einem Zettel notiert und zwischen Werk und Glas geklemmt. Auf der Rückseite, «muss man wissen», steht das Menu der Vernissage geschrieben, Entrecôte mit Sauce béarnaise war’s, erinnert Reutter sich, damals am 29.9.74.

«Ich entscheide mich aus dem Bauch heraus für oder gegen ein Werk.»

Walder Wyss und Kunst gehören seit der Gründung der Kanzlei 1972 zusammen. Mark Reutter sagt, er habe sich damals in den 90ern auch für die Kanzlei entschieden, weil die damaligen Partner über eine «wahnsinnige Kunstsammlung» verfügt hätten. «Ich habe es als Privileg empfunden, umgeben von solcher Kunst zu arbeiten.» Seit dem Ausscheiden dieser Partner ist es an Mark Reutter, sich um die Lücken an den Wänden zu kümmern.

Heute gibt es in den Räumen an der Höschgasse kaum mehr eine leere Stelle. Reutter hat die Wände mit Grafiken, Plakaten, Lithografien und sehr vielen Prägungen von Günther Uecker gefüllt, in den Regalen stehen Objekte – und immer wieder Gags. Eine Zeitkonserve zum Beispiel ist so ein Gag. «Finde ich sinnig in einer Anwaltskanzlei, die ihren Klienten Stunden verkauft.» Oder eines der neuesten Werke in der Sammlung: Es hängt beim Eingang des Postbüros und ist eine Mischung von Kunst und Gag, gefertigt hat es Reutter selbst. Er hat kürzlich auf der Post einen Bogen der Sonderserie «Kunstsammlung der Post» gekauft, die auf Leinwand gedruckt ist, zog die Marken einzeln auf und rahmte sie. Die Idee gefällt ihm, vor allem beim Postbüro der Kanzlei. Das merkt man an diesen herausfordernden Blick, mit dem er sein Gegenüber anschaut, einen gewissen Schalk in den Augen.

007 Walder Mark Reuter
007 Walder Mark Reuter

Mark Reutter ist in St. Gallen aufgewachsen, und das hört man noch. Sein zweites Zuhause wurde schon früh die Erker Presse und Galerie in St. Gallen, die von Freunden seiner Eltern geführt wurde. Dort verbrachte er als Kind viel Zeit, sah zu, wie Lithografien entstanden, war umgeben von Kunst und Künstlern. Später gab er seinen Gymi-Job als Nachtwächter bei der Securitas auf, weil sich ihm die Gelegenheit bot, jeweils am Mittwochnachmittag und am Samstag in der Galerie zu putzen und Archivarbeiten zu erledigen. Fand er deutlich besser, als in der Nacht kunstlose Bürogebäude abzuschreiten.

Während er das erzählt, stellt man sich vor, wie er heute Abend als Letzter die Kanzlei verlassen wird, wie ein Nachtwächter noch einmal durch die Gänge wandelt, sich in aller Ruhe an der Kunst erfreut – und dann zufrieden das Licht löscht.

Walder Wyss und Kunst gehören seit der Gründung der Kanzlei 1972 zusammen.

Reutters Zugang zur Kunst ist pragmatisch. Das zeigt sich etwa an der Serie der amerikanischen Künstlerin Laura Owens, die in einer Etage hängt. Reutter hat sie aus dem Ringier-Jahresbericht 2013 geschnitten und im Keller der Kanzlei eigenhändig gerahmt. «Die Siebdrucke sind von höchster Qualität, weshalb sollte man die nicht aufhängen?» Er sei kein Theoretiker, sagt er immer wieder, «ich entscheide mich aus dem Bauch heraus für oder gegen ein Werk».

Das bringt mit sich, dass die Trennlinie zwischen gut und schlecht sehr scharf gezogen ist bei Walder Wyss. Was Mark Reutter gefällt und was nicht, was gut ist und was schlecht, ist nicht verhandelbar. Er muss damit leben, dass es Kolleginnen und Kollegen gibt, die von Kunst nichts verstehen. Wie zum Beispiel jene oder jener – «ich habe einen starken Verdacht, die Person ist aber nicht geständig» –, die oder der sich jeden zweiten Tag den Scherz erlaubte, auf den in Bronze gegossenen Kuhfladen von Not Vital ein Post-it zu heften: «This is really shit».

«How to Work Better»

Mark Reutters Tipp für die Kunst des guten Arbeitens: Das Werk «How to Work Better» von Fischli/Weiss aus dem Jahr 1991. Schaut er täglich morgens an.

«Ist das Kunst oder kann das weg?»

Dass Reutter intern einen gewissen Ruf geniesst, zeigt folgende Anekdote: In einer Mittagspause ging Reutter im Coop nebenan einkaufen. Unter anderem eine Salatgurke für das Abendessen, die zuhause jedoch fehlte, wie seine Frau feststellte. Am nächsten Tag fand Reutter die Gurke dann auf dem Boden in seinem Büro. Daneben eine Notiz der Putzequipe: «Ist das Kunst oder kann das weg?»

Mark A. Reutter

ist Partner im Büro Zürich und arbeitet seit 1994 bei Walder Wyss. Seine Spezialgebiete: Technologie, Kommunikation, Kultur und Kunst. Seine Leidenschaft: Kunst. Er ist passionierter Kunstliebhaber und prägt die Räumlichkeiten von Walder Wyss im Zürcher Seefeld mit unzähligen Werken. Seine Angewohnheit: Jeden seiner Vorträge schliesst er mit einem Kunstwerk und stellt dieses in den Kontext zum vorgetragenen Thema.