Matthias Lötscher ist auf bestem Weg zum Profisportler, als er beim Skispringen verunfallt. Sein Leben kommt zum Stillstand - aber nur kurz. Seither fragt sich der Anwalt, wie er im Rollstuhl seinen Bewegungsdrang ausleben kann.
Wenn Matthias Lötscher aus seiner Kindheit erzählt, sollte man am besten die Augen schliessen. Dann sieht man, wie er als Kind früh am Morgen seine Langlaufski anschnallt. Wie sein Atem im Schein der Stirnlampe dampft, wie diese später die Loipe vor ihm beleuchtet. Man hört, wie der Schnee unter seinen Ski knirscht, wenn er die Sprungschanze hinunterfährt, wie er ins Tal runtersegelt.
Die Kindheit Lötschers ist ein Film. Dieser spielt in der hintersten Ecke des Entlebuchs, in Marbach. Im kleinen Dorf gibt es Loipen, eine Gondelbahn, mehrere Skilifte und zwei kleine Sprungschanzen. In den Neunzigern gab es Jahre, da stellte Marbach nahezu die gesamte Schweizer Langlauf-Nationalmannschaft. Lötscher passt da bestens hin: Er spürt diesen Drang in sich, ist immer in Bewegung, draussen in der Natur ist es ihm am wohlsten. Und irgendwann ist auch er Teil des Junioren-Nationalkaders der Nordisch Kombinierer.
Fünfzig Kilometer oder mehr an einem Tag liegen gut drin. Rasante Abfahrten quer über Matten auch.
Lötschers Film kennt auch Slow Motion, einen kurzen Moment des Stillstands sogar. 18-jährig ist Lötscher, als er im Training beim Skispringen stürzt. Seither ist er Tetraplegiker. Sein Film nimmt schnell wieder Fahrt auf.
Der Bewegungsdrang ist geblieben. Matthias Lötscher spielt während des Jus-Studiums intensiv Rollstuhl-Rugby, heute nur noch unregelmässig. In der Corona-Pandemie entdeckte der 36-Jährige etwas, das besser ist als Home-Office: das Heimat-Office. Er kehrt während des Lockdowns zurück ins Elternhaus nach Marbach, verbringt viel Zeit mit Freunden in der Natur. Später kauft er sich ein Mountainbike. Es ist der perfekte Ausgleich zur Arbeit, zu den langen Tagen am Computer.
Mit seinem Bike, sagt er, komme er fast überall hin, ein bisschen Weg reicht, damit er durchkommt. Zumal ja jede noch so kleine Alp in der Schweiz erschlossen sei. Das Bike ist ein Liegerad, hinten zwei, vorne ein Rad, ein Elektromotor unterstützt die Arme beim Pedalen. Das lasse «recht extreme Touren» zu, sagt Lötscher, die er gemeinsam mit Freunden unternimmt. Fünfzig Kilometer oder mehr an einem Tag liegen gut drin. Rasante Abfahrten quer über Matten auch. Nur den Biketrail in Marbach, den hat er noch nicht sturzfrei bewältigt.
Matthias Lötscher
arbeitet seit 2015 bei Walder Wyss in Zürich. Er ist Mandatsleiter im Banking & Finance Team und spezialisiert auf Finanzmarktrecht, inklusive Fragen der Geldwäscherei-Regulierung. Mit 18 hatte er einen Unfall beim Skispringen, seither ist er Tetraplegiker.